Erotische Kunst by Hans-Jürgen Döpp

Erotische Kunst by Hans-Jürgen Döpp

Autor:Hans-Jürgen Döpp [Döpp, Hans-Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9781783106721
Herausgeber: Parkstone International


104. Feodor Rojankovsky, gen.

Rojan, 1930. Wasserfarbe.

105. Achille Devéria, 1830.

In der Bändigung des Begehrens liegt die Hauptfunktion des Rahmens. Umgekehrt ist aber auch zu fragen, ob das Begehren nicht gerade aus diesem eingrenzenden Rahmen erst seine Kraft bezieht.

In den Orgien, die der Marquis de Sade in seinen Romanen beschreibt und die sich stets in einem fest gefügten Rahmen abspielen, ist auch die Lust von einer vorher festgelegten Ordnung abhängig, genauso wie die Lasterhaftigkeit zwar schrankenlos, nicht aber ohne Regeln ist.

„Einen Moment, liebe Freunde, lasst uns etwas Ordnung in unsere Lüste bringen! Man genießt nur, wenn man sich festlegt“, sagt der Wüstling. Und wenn die Szene sich dann eingerichtet hat, heißt es: „Das Bild kommt ins Lot!“ So sorgen Ordnung und Regeln dafür, dass die Lasterhaftigkeit erst richtig als Tabuverletzung und Grenzüberschreitung genossen wird.

Auch das übliche kleine Format des erotischen Bildes bezeugt diese Funktion. Die großen barocken Rahmen zum Beispiel weisen mit triumphalem Gestus auf den Machtanspruch kirchlicher und weltlicher Autoritäten hin. Das Bürgertum gibt sich bescheidener, seine Rahmen dienen der Selbstrepräsentation.

Schlug sich im Gold der Barockrahmen noch ein Stückchen des Himmels nieder, der in der Gotik den Hintergrund der Bilder zierte, so steht hier das Gold ganz für den weltlichen Reichtum.

Das intime, kleine Format der erotischen Kunst steht in direktem Zusammenhang mit dem über sie verhängten Tabu, weil es das Thema perspektivisch in eine unendliche Ferne rückt, bis es nur noch als Miniatur unser Auge erreicht.

Es ist für den Betrachter kaum mehr als ein verstohlenes, schüchternes Zublinzeln. Derart in die Ferne gerückt kann es nicht mehr gefährlich werden. Noch kleiner, und es würde, nun ganz unsichtbar geworden, im Unbewussten verschwinden. Zuweilen werden die aufregendsten Werke der erotischen Kunst noch zusätzlich hinter einem Vorhang verborgen und damit ganz dem kalkulierenden Blick entzogen.

Nur dadurch, dass unser Blick im Gitter der Ordnung bleibt, ist gewährleistet, dass der Bürger es in seinem Alltag aushält. Sind wir toleranter geworden? Man kann ebenso gegen das aktuelle Liberalisierungsgerede behaupten, dass erotische Kunst heute nur entschärft und entdramatisiert zugelassen ist. Man erwartet keine anarchischen Turbulenzen mehr von ihr. Wie die Klassiker, steigt auch sie in die Region anerkannten Kulturgutes auf, in dem Maße, in dem sie zunehmend wirkungslos wird. In einer arbeitsteiligen, in Lebensbereiche und Lebensabschnitte gegliederten Gesellschaft hat auch sie heute ihren festen Rahmen gefunden.

So sehr, dass man auf die Einrahmung der Bilder fast verzichten könnte. Von der erotischen Kunst geht nichts Bedrohliches mehr aus. „Erotik ist etwas Alltägliches“, heißt es in einem Artikel über die Eröffnung eines Erotikshops, der sich als „Erlebnispark für aufgeschlossene Paare“ präsentiert.

„Erotik, wie wir sie verstehen, hat nichts mit Schmuddeligkeit zu tun.“ Selbst die Pornografie hat heute ihre Anstößigkeit eingebüßt. Und man möchte fast den Zeiten nachtrauern, in denen sie noch als anrüchig und unerlaubt galt. Es sind die falschen Verteidiger der erotischen Kunst, die in ihr etwas „ganz Natürliches“ sehen wollen.



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